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Prolog

Den Hauch des Heiligen Geistes (vgl. Joh 20, 22) darstellen zu wollen, stellt (auch) für den Laien eine Herausforderung dar. Der Versuch soll trotzdem gewagt werden.

Augustinus und der Knabe am Meer

Folgende Legende vom hl. Augustinus von Hippo (354-430)[1] soll diese Schwierigkeit in Worte fassen. Die Legende handelt von der Zeit der Entstehung des Werkes von Augustinus über die Dreifaltigkeit. Es wird erzählt, dass der Heilige am Meer spazieren geht und am Ufer einen Knaben sieht, der mit einer Muschel Wasser in ein in den Sand gegrabenes Loch schaufelt. Immer wieder läuft der Knabe an den Uferrand, um neues Wasser zu schöpfen und es in die Sandmulde zu giessen. Augustinus fragt den Knaben nach dem Zweck seines Tuns. Dieser antwortet, er wolle das ganze Meer in das Loch schöpfen. Schmunzelnd erwidert Augustinus, dass dies unmöglich sei. Darauf entgegnet ihm der Knabe, dass dies eher möglich sei, als dass Augustinus auch nur den kleinsten Teil der Geheimnisse der Dreifaltigkeit in seinem Buch auszuschöpfen vermöchte.[2]

Der Heilige Geist als Teil der göttlichen Trinität

Unbestritten ist, dass der Heilige Geist eine der drei Personen der göttlichen Trinität darstellt. Diese Dreifaltigkeit steht für die Wesenseinheit Gottes in Vater (Gott, der Vater), Sohn (Jesus Christus, Sohn Gottes) und dem eingangs erwähnten Heiligen Geist (Geist Gottes). Als Analogie zum Verständnis dieser Dreifaltigkeit Gottes lassen sich u.a. die verschiedenen Aggregatszustände von Wasser hinzuziehen. Physikalisch gesehen kann das Wasser als Eis den festen Zustand, als Wasser den flüssigen Zustand und als Wasserdampf den gasförmigen Zustand annehmen. Welcher Zustand vorliegt, hängt von verschiedenen (äusseren) Faktoren wie Temperatur und Druck ab. Chemisch gesehen handelt es sich jedoch immer um dasselbe, nämlich um die Verbindung aus den Elementen Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H) zu H2O. Die Vollkommenheit des Wassers wird erst erkennbar, wenn man die physikalischen Aggregatszustände und die chemische Verbindung zusammen betrachtet.[1] Der Heilige Geist ist somit in analoger Sichtweise ein Bestandteil der Trinität und auch Gott selbst. Was wissen wir als Laie über den Heiligen Geist und wo begegnet uns dieser in der Glaubenswahrnehmung?

Der Heilige Geist im Studium der Bibel

Der Geist Gottes als Heiliger Geist ist an vielen Stellen im AT wie auch im NT zu finden. Eine kleine Auswahl soll dies verdeutlichen: In der zentralen Schöpfungsgeschichte im AT schwebt der Geist Gottes bspw. über dem Wasser (vgl. Gen 1, 2). Im NT wird den Jüngern anstelle von Jesus der Heilige Geist zur Seite gestellt, heisst es doch: «Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.» (Joh 14, 16-17).

Der Heilige Geist ist ewig (vgl. Hebr 9, 14), allwissend (vgl. 1 Kor 2, 10) und allgegenwärtig (vgl. Ps 139, 7-8). Dies nicht als Gott, sondern vielmehr als besondere Ausdrucksform Gottes, wird doch in der Apg 5, 3-4 der Heiligen Geist als Teil Gottes angesehen. Der Heilige Geist begleitet und führt uns, heisst es doch: «Dein guter Geist leite mich auf ebenem Land.» (vgl. Ps 143, 10).

Im Aufruf zu Mission lesen wir: «Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes» (Mt 28, 19). Die Trinität Gottes ist somit im Unterschied zu den Aggregatszuständen von Wasser auch zeitgleich als Einheit und in verschiedenen Kombinationen erkennbar, im Kern und als Wesen jedoch immer Gott.

Der Heilige Geist im Gebet

Schon im Kreuzzeichen würdigen wir den Heiligen Geist und die Trinität allgemein. Ob das Kreuzzeichen mit einem Finger (als Zeichen für den Glauben an Gott) oder mit drei Fingern (als Symbol der Dreifaltigkeit) vorgenommen werden soll, sei an dieser Stelle nicht diskutiert, zeigt aber m.E. die Dreiheit in Gott selbst deutlich auf.

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis halten wir fest, dass Maria Jesus durch den Heiligen Geist empfangen hat. Heisst es doch: «Der Heilige Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.» (vgl. Lk 1, 25). In der Doxologie als Lobpreisung der Herrlichkeit Gottes wird der Heilige Geist in Form der Dreieinigkeit erfasst. Im Fatima-Gebet dagegen erscheint uns Gott als Jesus Christus und im Vater unser als Gottvater selbst. Stets andere Konstellationen, aber immer derselbe allumfassende Gott.

Durch die Taufe empfangen wir diesen Heiligen Geist (vgl. Apg 2, 38) und dieser wohnt in uns (vgl. 1 Kor 3, 16). Wir erhalten zudem die sieben Gaben des Heiligen Geistes als Lebenshauch geschenkt. Unter diesen Gaben versteht man nach dem KKK-Rz 1831 die Weisheit, die Einsicht, den Rat, die Stärke, die Erkenntnis, die Frömmigkeit und die Gottesfurcht.[2] Diese Gaben sollen uns helfen, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen und den Willen Gottes zu erkennen. Am Pfingstfest feiern wir jeweils die Entsendung des Heiligens Geistes als Sturm der Erweckung und Erfüllung (vgl. Apg 2, 1-4).

Intensiv mit dem Heiligen Geist beschäftigt sich der em. Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger).[3] In der Pfingstpredigt von 2006 sagt er: «Der Stolz und Egoismus des Menschen ruft immer Spaltungen hervor, errichtet Mauern der Gleichgültigkeit, des Hasses und der Gewalt. Der Heilige Geist hingegen befähigt die Herzen, die Sprachen aller Menschen zu verstehen, weil er die Brücke echter Kommunikation zwischen Erde und Himmel wiederherstellt. Der Heilige Geist ist die Liebe.»[4] Im fünften Kapitel zum Hauptteil der Einführung in das Christentum schrieb er schon 1971, die Liebe sei stets ein Mysterium und beinhalte somit mehr als man berechnen und nachrechnen könne (und müsse). Dazu wörtlich: «Die Liebe selbst – der ungeschaffene, ewige Gott – muss daher im höchsten Mass Geheimnis, das Mysterium selber sein.»[5]

Fazit des Deutungsversuches

Die Liebe Gottes ist ein Mysterium, das sich nicht ergründen lassen muss. Auch wenn Schopenhauer wohl gerade deshalb den Religionen vorwirft Leuchtwürmer zu sein, die nur in der (wissenschaftlichen) Dunkelheit zu leuchten fähig seien.[6] Eine aber auf Wunder und Offenbarung gegründete Religion fürchtet die Wissenschaft nicht. Schopenhauer erkennt die Religion zumindest als Metaphysik des Volkes und stellvertretend für die nicht erkennbare Wahrheit «als Richtschnur für das Handeln und als Beruhigung und Trost im Leiden und im Tode […]» an.[7] Religion kann somit auch einem kritischen Geiste zumindest metaphysische Sicherheit bieten. Und diese Sicherheit, dieses aufbauende zielgerichtete Energiequantum soll gerade der Heilige Geist als Teil der Trinität Gottes darstellen. Er nimmt sich so unserer Schwachheit an (vgl. Röm 8, 26) und ist unser Beistand und Tröster (vgl. Joh 14, 16-26), «denn für Gott ist nichts unmöglich.» (Luk 1, 37).

Es ist, wie die einleitend erwähnte Legende von Augustinus besagt, ein nicht zu erreichendes Ziel, wenn man das Mysterium der Dreifaltigkeit oder auch den Heiligen Geist nur schon im Rahmen eines Aufsatzes darstellen möchte. In der Mathematik nimmt man – um hilfsweise auf die exakten Wissenschaften zurückzugreifen – einen Näherungswert an, wenn die konkrete Berechnung entweder sehr aufwendig oder gar nicht möglich ist. Ich hoffe deshalb, mich mit diesem Deutungsversuch zumindest ein kleines Stück dem Atem des Heiligen Geistes angenähert zu haben.

07.10.2018/V7

[1] Vgl. anstelle vieler <https://www.kirche-im-swr.de/?page=manuskripte&id=24325> (07.10.2018).

[2] Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Oldenburg 2005.

[3] Vgl. dazu auch Benedikt XVI, Über den Heiligen Geist, Augsburg 2012.

[4] <https://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/homilies/2006/documents/hf_ben-xvi_hom_20060604_pentecoste.pdf> (07.10.2018).

[5] Ratzinger, Joseph, Einführung in das Christentum, München4 1980, 110.

[6] Vgl. Schopenhauer, Arthur, Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften, 2. Teilband, Zürich 1988.

[7] Frauenstädt, Julius, Schopenhauer Lexikon 2. Band, Leipzig 1871, 273.

[1] Vgl. Geerlings, Wilhelm, A. Augustinus. I. Leben, in: LThK3 1 (SA 2006), 1240-1242.

[2] Vgl. anstelle vieler Mehler, Ludwig, Beispiele zur gesamten christkatholischen Lehre. Oder: Der ganze katholische Katechismus, 1. Bd., Regensburg4 1855, 117 und vertiefend Kany, Roland, Augustins Trinitätsdenken. Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu «De Trinitate» (Studien und Texte zu Antike und Christentum 22), Tübingen 2007.